Gemeinsam die biologische Vielfalt retten 

Deutschlandfunk / FORSCHUNG AKTUELL / Beitrag vom 15.01.2015
WELTBIODIVERSITÄTSRAT
Von Volker Mrasek

Im Kampf gegen das Artensterben hat die Staatengemeinschaft den Weltbiodiversitätsrat aus der Taufe gehoben. Nach dem Vorbild des Welt-Klimarates IPCC soll er das Problem mit wissenschaftlichen Fakten beleuchten. Im neuen Bonner Sekretariat der Organisation treffen sich in dieser Woche Delegierte aus über

120 Ländern zur Vollversammlung, die auch heikle Fragen ansprechen soll.
Wolfgang Cramer war lange am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Der Ökologe und Geograf wirkte an drei Berichten des Weltklimarates IPCC mit. Jetzt bringt Cramer seine ganze Erfahrung auch beim neu gegründeten Weltbiodiversitätsrat ein. Genauso wie der IPCC soll er Sachstandsberichte veröffentlichen. Über die Gefährdung von Arten, Ökosystemen und genetischen Ressourcen auf der Erde. Und was sich dagegen tun lässt:

„Was man immer wieder betonen muss: Die Krise, in der wir sind, was die Biodiversität angeht, ist mindestens so wichtig für die Ökonomie, für die Gesellschaft – ich nehme das große Wort in den Mund -, für das Überleben des Menschen auf diesem Planeten wie das Klima.“

Schon seit dem legendären Umweltgipfel von Rio 1992 gibt es zwar ein globales Übereinkommen zum Schutz der biologischen Vielfalt und ihrer nachhaltigen Nutzung. Fast alle Staaten der Erde haben es unterzeichnet. Doch Arten und Naturlandschaften schwinden weiterhin.

„Der Politikprozess zur Biodiversitätskonvention hat in den letzten Jahren zu einer Verschärfung der Ziele geführt. Nur: Was überhaupt nicht da ist, ist ein wissenschaftliches Assessment, um den Regierungen zu sagen: Wo sind wir denn eigentlich in Bezug auf diese Ziele?“

Nächste Aufgabe: Berichte über Regionen und Themenbereiche
Das will der IPBES, wie er sich nennt, nun leisten. Schon auf der letzten Vollversammlung beschloss man ein Arbeitsprogramm für die ersten fünf Jahre. Danach soll der neue Weltbiodiversitätsrat zweierlei Berichte oder Assessments verfassen. Zum einen regionale, für die die Erde in fünf Zonen aufgeteilt wurde. Und zum anderen thematische Berichte. Dazu Carsten Nesshöver vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig. Der Geoökologe begleitet die laufenden Bonner Verhandlungen für das Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung in Deutschland: „Der derzeitige Plan ist, dass es ein Assessment zu Renaturierung und Restaurierung gibt. Weil es eben auch ein globales Ziel ist, dass bis 2020 15 Prozent der degenerierten Landflächen – seien es Wälder, Feuchtgebiete und so weiter – wiederhergestellt werden. Dann gibt’s weitere thematische Assessments, die geplant sind, zu invasiven Arten. Und es gibt noch ein weiteres Assessment, das geplant ist, zur nachhaltigen Nutzung von wilden Ressourcen, also von Arten, die genutzt werden.“

Ein Bericht ist bereits in der Mache und soll noch in diesem Jahr erscheinen, weil das Thema so aktuell ist. Darin geht es um den besorgniserregenden Rückgang von Honigbienen und anderen bestäubenden Insekten in unserer Kulturlandschaft.

Fischerei: ein sehr sensibles Thema
Andere Themen sind dagegen stark umstritten. So ist inzwischen nicht mehr klar, ob es den eigentlich geplanten Bericht über den Offenen Ozean geben wird. Der würde nämlich die Überfischung der Meere zum Thema machen, wie Wolfgang Cramer sagt, der inzwischen als Forschungsdirektor in Frankreich arbeitet, am Mediterranen Institut für Biodiversität und Ökologie:
„Die Fischerei ist ein ganz, ganz großes sensibles Thema. Es ist klar: Die Überfischung der Weltmeere ist ein massives Problem, ist so gesehen auch ein massives Biodiversitätsproblem, durch zum Teil auch neue Technologien der Tiefsee-Fischerei noch verschärft. Es ist unbestritten, dass wir da noch weit von einer Nachhaltigkeit entfernt sind.“

 Laut Cramer gibt es Staaten, die am liebsten gar keinen Bericht über den Zustand der Weltmeere hätten. Und das, obwohl internationale Verträge vorsehen, die Überfischung noch in diesem Jahrzehnt zu stoppen.
Cramer: „Es scheint so, dass die USA zum Beispiel nicht daran interessiert sind, dass die Fischerei in den offenen Seegebieten tatsächlich Bestandteil des Berichtes ist. Es gibt Länder, von denen weiß man traditionell, dass sie daran nicht stark interessiert sind wie Japan und China. Die haben sich allerdings, so weit ich das mitbekomme, hier noch nicht offen dazu positioniert. Es ist ein gutes Beispiel dafür, das Biodiversität eben nicht nur das Schützen von seltenen Pflanzen an interessanten Orten ist, sondern ganz klar auch die Ressourcen betrifft, die für uns alle wichtig sind und die wir jeden Tag konsumieren.“

Finanzierungsfragen noch nicht alle geklärt
 Noch nicht in trockenen Tüchern ist auch die Finanzierung des IPBES. Das Sekretariat, die Konferenzen und Reisen der Teilnehmer – all das müsse bezahlt werden, so Carsten Nesshöver:  „Man hat hier ungefähr einen Budgetbedarf bis 2018 von 45 Millionen Dollar. Davon ist die Hälfte zugesagt. Deutschland ist eigentlich der Hauptgeldgeber, zusammen mit Norwegen und England. Und bei den anderen ist es sehr, sehr überschaubar. Und deswegen wird gerade im Budget-Ausschuss sehr, sehr stark verhandelt.“

Mit dem Ziel, bis morgen eine Lösung zu finden. Denn dann endet die Bonner Vollversammlung. Die nächste findet erst 2016 statt.

Einer, der schon jetzt an Leitfäden für die Berichte des IPBES mitschreibt, ist Stefan Hotes von der Universität Marburg. Der Ökologe würde sich wünschen, dass der neue Weltbiodiversitätsrat die Forschung ebenso beflügelt wie der IPCC: „Die Hoffnung ist, dass er diese Rolle, Wissenschaft mehr Gehör zu verschaffen, tatsächlich wird leisten können.“