Mehr Gift gegen Resistenzen

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19.11.2012 · 16:35 Uhr

Mehr Gift gegen Resistenzen

Anbau gentechnisch behandelter Pflanzen in den USA führt zu mehr Pestizid-Einsatz
Von Lucian Haas

Botanik.- Seit 16 Jahren werden in den USA gentechnisch veränderte Mais-, Soja- und Baumwollsorten kommerziell angebaut. Viele Saatguthersteller geben an, dass der Einsatz transgener Pflanzen den Pestizideinsatz reduziert. Doch laut einer neuen Studie sieht die Realität mittlerweile anders aus.

Charles Benbrook war selbst überrascht, als er die Zahlen sah. Der Pflanzenschutzexperte von der Washington State University hat untersucht, wie sich der Pestizideinsatz auf den Flächen mit Gen-Mais, Gen-Soja und Gen-Baumwolle in den USA seit dem Start des Anbaus transgener Sorten 1996 entwickelt hat. Die Statistiken des US-Agrarministeriums dazu sind lückenhaft. Fehlende Daten ergänzte er deshalb auf Basis von Hochrechnungen mit Simulationsmodellen. Die Ergebnisse, im Fachmagazin „Environmental Sciences Europe“ erschienen, kratzen am Image einer umweltfreundlichen Grünen Gentechnik.

„Es gab einen kleinen Rückgang im Herbizid-Einsatz in den ersten vier oder fünf Jahren. Aber seit 2000 haben Veränderungen in den Unkrautgemeinschaften dazu geführt, dass der Herbizid-Einsatz auf den Gentechnik-Flächen mittlerweile größer ist als auf Äckern mit konventionellen Sorten. Und der Abstand wächst jedes Jahr.“

Allein 2011 seien in den USA 35.000 Tonnen mehr Unkrautvernichtungsmittel auf den Flächen mit transgenen Sorten ausgebracht worden als noch 2010, berichtet Charles Benbrook. Der Zuwachs sei mehr als doppelt so groß wie alle Einsparungen zwischen 1996 und 2002 zusammen. Als Triebfeder für diese Entwicklung nennt er den viel zu sorglosen, regelmäßigen Einsatz des Herbizids Glyphosat auf den Feldern. Glyphosat tötet normalerweise alle Pflanzen ab, bis auf die Feldfrüchte, die dank der Gentechnik dagegen immun sind. Mittlerweile haben in den USA aber auch schon 22 Unkrautarten auf natürliche Weise eine Resistenz entwickelt.

„Wenn die Farmer nicht sofort ihre Pflanzenschutzstrategien anpassen, werden sie immer größere Probleme mit dem Management glyphosat-resistenter Unkräuter bekommen. Die Verbreitung dieser Pflanzen auf den Feldern zwingt sie dazu, zusätzliche Herbizide einzusetzen, was die Kosten steigert.“

In einigen Regionen bereiten die glyphosat-resistenten Unkräuter den Farmern schon so große Probleme, dass sich die Bewirtschaftung der Felder kaum noch lohnt. Die Hersteller der transgenen Sorten setzen dennoch weiter auf das gleiche Rezept gegen die Unkräuter: Totspritzen – wenn nötig, mit zusätzlichen Wirkstoffen. Die Firma Dow AgroSciences hat beim US-Agrarministerium die Zulassung von neuen transgenen Maissorten beantragt, die neben Glyphosat auch gegen andere breit wirkende Herbizide wie 2,4-D oder Dicamba resistent sind. Charles Benbrook warnt vor dieser Entwicklung – und das nicht nur, weil es auch schon erste Unkrautarten gibt, denen das Gift 2,4-D nichts mehr anhaben kann.

„Das ist eine wirklich gefährliche und grundsätzlich falsche Strategie. Denn die Herbizide, die bei diesen neuen multi-herbizid-resistenten Sorten zum Einsatz kommen, gehören zu älteren, gefährlicheren Wirkstoffklassen, die ein viel größeres Risiko für Umwelt und Gesundheit darstellen.“

Auch ein Trend bei den sogenannten Bt-Pflanzen macht Charles Benbrook Sorgen. Bt ist ein Toxin des Bodenbakteriums Bacillus thuringiensis. Transgene Bt-Sorten enthalten die zugehörigen Bakteriengene, bilden den Giftstoff in ihren Blättern und können damit Fraßschädlinge wie den Maisstengelbohrer abwehren. Zwar hat der Anbau von Bt-Mais und Bt-Baumwolle in den USA dazu geführt, dass die versprühten Insektizidmengen heute um 56.000 Tonnen unter den Werten liegen, die mit konventionellen Sorten zu erwarten wären. Allerdings enthalten immer mehr gentechnisch veränderte Sorten mehrere Bt-Gene. Beim sogenannten Smart-Stax-Mais von Monsanto zum Beispiel sind es sechs. Entsprechend hoch sind die Wirkstoffmengen in den Blättern.

„Der Smart-Stax-Mais bildet pro Hektar 4,2 Kilogramm Bt-Toxine. Für den Menschen stellen die Rückstände dieser Toxine in der Nahrung kein Risiko dar. Aber wir sollten das stärker beobachten, gerade mit Blick auf ökologische Folgen etwa für die Gemeinschaft der Bodenmikroben geht.“

Wie viel Bt-Toxin aus den Ernterückständen solcher Pflanzen im Boden freigesetzt wird, und wie sich das langfristig auf das Bodenleben auswirkt, ist bisher kaum erforscht.